Mittwoch, 16. November 2011

kein tag vergeht, an dem ich nicht im kopf mit dir spreche. kein tag, an dem ich nicht laut deinen namen sage. oder ihn flüster. kein tag vergeht, an dem ich dich nicht frage, was du so treibst.
es gibt tage, an denen bin ich ganz ruhig, im stillen einverständnis mit mir selbst, dass der tag kommen wird, an dem du zurück kommst. dass ich nur geduldig sein muss.

und dann male ich mir schlimmes aus.
wie ich vor dir stehe.
voller erwartung.
voller freude.
und wie ich dann sehe, dass deine augen kalt bleiben.
wie ich eine frauenstimme im hintergrund höre.
einen ring an deinem finger sehe.
schlimmstenfalls babygeschrei.
und ich fühle im voraus, wie alles bröckelt und sich die innerliche leere einstellt, der brechreiz, der schnelle puls, das zittern, die kälte und die bilder in meinem kopf. alles das, was ich schon ein mal erlebt habe und mir schwor es nie wieder so weit kommen zu lassen.

ich könnte das alles umgehen. und dich einfach nie wieder sehen. und vielleicht sehe ich dich auch nie wieder.

ich weiß nicht was du machst.
ich weiß nicht wo du bist.
ich weiß nicht wie es dir geht.
ich habe nie wieder irgendetwas von dir gehört, seit damals, im mai, vor andertalb jahren, als ich ging.
an dem morgen haben wir so getan wie immer.
du dein ritual. duschen. kaffee. kippe. brötchen.
ich in die decke gewickelt. dir dein brötchen geschmiert. deine wasserflasche aufgefüllt. dir deinen block gegeben. mit der seerobbe drauf. alles in deinen hässlichen, kaputten rucksack gesteckt.
du hattest deine rote jacke an und den gestrickten schal von s.
"vergiss mich nicht" hab ich gesagt. "nein, niemals" hast du gesagt. und dann bist du gegangen. ich habe dir nachgesehen. tränenüberströmt. bis du an der straßenecke verschwunden bist.
dann habe ich mich in deine kissen geweint. heimlich dein t-shirt eingepackt.
nochmal raus. einen bildband über deine stadt gekauft, die ich so lieben gelernt habe. in der ich mir hätte vorstellen können für immer zu bleiben. mir nochmal alles angesehen. das rathaus. die eisdiele. den brunnen. den sparkassenautomat gleich neben dem standesamt. die tolle buchhandlung. den spielzeugladen. das restaurant, in dem wir nie waren, weil es viel zu teuer war, wir uns aber an der karte satt sahen. den schäbigen supermarkt, der oft unsere rettung war.
dann bin ich ein letztes mal in deine wohnung.
habe den geruch aufgenommen und verstanden, warum grenouille gemordet hat um ihn einzufangen. dir eine karte geschrieben. in letzter verzweiflung. mir alles eingeprägt. deinen hässlichen waschbeutel und den hässlichen teppich. die gummibären mit chilligeschmack auf dem tablett. dein poster. das buch, dass du schon ewig bei ebay versteigern wolltest. das leere postpaket hinter der türe. das glas mit deinem namen im regal. dein radio am nachttisch. den riss in der deckenlampe. die creme auf dem fenstersims.

es hat nichts geholfen. kein detail bleibt vergessen, nur dein gesicht verschwimmt.
und das leben zeigt bitter: keine erinnerung reicht aus, um sich eine realität zu basteln.

1 Kommentar:

  1. ich habe jedes deiner worte gelesen. mir sind oftmals die tränen gekommen...
    ist dir schonmal in den sinn gekommen, dass ihn tatsächlich irgendwie wieder zu sehen, ihm gegenüber zu stehen - und sei es mit einem belanglosen satz auf den lippen -, vielleicht die einzige möglichkeit ist?

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